Das Höflichkeits-Recht bleibt unbestritten: geschlechtergerechte Sprache, AUI März 2018

Auch wenn laut Urteil des Bundesgerichtshofs Frauen kein einklagbares Recht darauf haben, auf Formularen in der weiblichen Form genannt zu werden, bleibt davon ein anderes unbenommen: Das Höflichkeits-Recht. Die Zahl derer, die das nach wie vor anzweifeln oder die sich damit noch gar nicht beschäftigt haben, wird sich vermutlich durch die Entscheidung des BGH kaum verringern. Viele halten eine geschlechtergerechte Sprache immer noch für „total übertrieben“, „schlecht lesbar“ oder für einen „völlig überflüssigen Geschlechterkampf in Wort und Schrift“. Dabei geht es um ganz anderes: Sprache ist bewusstseinsbildend, hat klar zu sein, und alle sollten sich darin wiederfinden.

Zugegeben: Solche positiven Effekte entstehen nur dann, wenn diese Art der Sprache mit Sinn und Verstand angewandt wird, Übertreibungen sowie Fehler vermieden werden. Bestrebungen, in aus Frauen und Männern zusammengesetzten Gruppen auf ausschließlich weibliche Diktion zurückzugreifen, etwa in Grundordnungen, erfüllen dieses Kriterium auf keinen Fall. Sie sind den Männern gegenüber unhöflich. Mögliche Erklärungen für eine solche Entscheidung, etwa, dass Schrägstrichversionen und Doppelungen lese-unfreundlich seien – was unbestritten stimmt! –, sind fehl am Platz. Der Grund: Es gibt vielfältige Möglichkeiten, einen Text ohne (innen), /-innen oder ständige Wiederholungen so zu gestalten, dass er gut lesbar ist und dennoch beiden Geschlechtern die Präsenz und damit die notwendige Wertschätzung zuerkennt. Dazu hier einige Tipps:

Die 13 wichtigsten Tipps für einen Frauen wie Männern gegenüber geschlechtergerechten Schreib- und Sprachstil

1. Beweisen Sie Frauen wie Männern Ihre Wertschätzung, indem Sie beide Geschlechter sprachlich erscheinen lassen.

2. Vermeiden Sie Übertreibungen und Fehler. Wortschöpfungen wie „Menschin“, „Kasperin“, „Mitgliederin“ oder „Kinderinnen“ sind schlechtes Deutsch. Auch ist es völlig unnötig, englische Begriffe wie „Teenager“ mit einem „in“ zu versehen.

3. Wählen Sie in schriftlichen Anreden stets die ausgeschriebenen Doppelformen. Statt zum Beispiel: „Sehr geehrte/r Kunde/in“ – was zusätzlich ein Duden-Fehler wäre – besser: „Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde“. Die Zweifach-Nennung ist auch bei mündlichen Anreden die wertschätzendste Form, etwa: „Liebe Mitarbeiterinnen und liebe Mitarbeiter.“ Zu viele Doppelungen bergen allerdings die Gefahr, dass Texte ungern gehört oder gelesen werden. Negativ-Beispiel: „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können zur Firmenfeier Ihre Freundlinnen und Freunde mitbringen. Dann, bitte, unbedingt einer unserer Abteilungsleiterinnen oder einem unserer Abteilungsleiter die genaue Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorher mitteilen.“ Um wie viel flüssiger liest sich diese Information so: „Alle Betriebsangehörigen können zur Firmenfeier Gäste mitbringen. Dann, bitte, unbedingt Ihrer Teamleitung die genaue Personenzahl vorher mitteilen.“

4. Entscheiden Sie sich am besten überhaupt nur in Ausnahmefällen für Schrägstrich- oder Klammerversionen, etwa bei Platzmangel in Tabellen.

5. Verwenden Sie so oft es geht geschlechtsübergreifende Begriffe. Beispiele: Angestellte, Team/Teammitglied, Belegschaft/Belegschaftsmitglied, Beschäftigte, Betriebsangehörige, Fachkraft statt „der/die Mitarbeiter“. Vorgesetzte, Führungskraft, Führungspersonen statt „der Chef“ oder „Manager“.

6. Setzen Sie soweit möglich Verlaufsformen ein. Beispiele: Studierende, Gastgebende, Interessierte, Mitarbeitende statt Studenten, Gastgeber, Interessenten, Mitarbeiter.

7. Weichen Sie auf Wörter wie Mensch, Person, Individuum, Gegenüber, Kind, Eltern, Gruppe, Bekannte, Verwandte, (Familien-) Mitglied aus, um geschlechtergerecht zu formulieren.

8. Integrieren Sie weibliche Formen, indem Sie „die oder der“ nutzen. Besonders einfach ist das bei Personenbezeichnungen, die aus Adjektiven und Partizipien abgeleitet sind, wie: die oder der Betroffene, Kranke, andere, Schnellste, Jugendliche, Ältere, Jüngste, Tüchtigste.

9. Greifen Sie dort, wo es ohne Sinnentstellung möglich ist, auf Plural anstelle von Singular zurück. Beispiele: „Erwachsene sollten wissen …“ statt „Der Erwachsene sollte …“ „Reisende sind gut beraten, wenn …“ statt „Der Reisende ist gut …“ „Geschädigte wenden sich, bitte, an ihre Versicherung mit …“ statt: „Der Geschädigte wende sich …“

10. Nutzen Sie Relativsätze. Beispiele: „Alle, die an dem Seminar teilnehmen, bekommen ein Zertifikat“ statt „Die Teilnehmer an diesem Seminar bekommen ...“ Auch das Wort „diejenigen“ eignet sich dafür hervorragend: „Wir bitten diejenigen, die im Unternehmen für die Weihnachtsfeier zuständig sind ...“ statt „Wir bitten die Mitarbeiter, die …“ Aus „Der Zuständige soll sich …“ kann problemlos „Die Person, die zuständig ist, soll sich …“ werden. Auch möglich: „Wer zuständig ist, soll sich …“ Wichtig dabei: Lassen Sie in solchen „Wer-Konstruktionen“ nach dem Komma das Wort „der“ heraus. Wer es ernst meint mit der geschlechtergerechten Sprache, DER hätte nämlich mit dem „der“ das Rad wieder auf „rein männlich“ zurückgedreht!

11. Entschließen Sie sich so oft es geht zu einer direkten Sie-Ansprache. Statt:

„Neukunden können einen Neukunden-Rabatt von 10 Euro von der ersten Bestellung abziehen“ besser: „Wenn Sie das erste Mal bei uns einkaufen, können Sie einen Willkommens-Rabatt von 10 Euro von Ihrer Rechnung abziehen.“

12. Beziehen Sie sich auf konkrete Beispiele. Beschreiben Sie eine bestimmte Situation und stellen vorher klar: Es handelt sich in diesem geschilderten Fall um etwa eine Chefin und ihren Mitarbeiter, um einen Verkäufer und einen Kunden oder um zwei Freundinnen. Dann sind geschlechtsübergreifende Wörter nicht notwendig. Verdeutlichen Sie in solchen Fällen die Beispielhaftigkeit, indem Sie darauf hinweisende Wörter wie „zum Beispiel“, „etwa“, „wie“ oder „beispielsweise“ verwenden.

13. Umgehen Sie sprachliche Fettnäpfchen wie „weibliche Mitarbeiter“. Was, bitte, soll man sich darunter (oder etwa unter einem „weiblichen“ Fahrer/Kunden/Chef) vorstellen? Sind das Männer, die feminine Züge aufweisen, sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben oder in Frauenkleidung daherkommen? Auch Formulierungen wie: „Sie war der erste weibliche Minister“ sollten – das steht sogar in einem Duden – vermieden werden. Ebenfalls unsinnig sind Kombinationen wie „Frauen und ihre männlichen Kollegen sind gleichermaßen …“, „Frauen sollen männlichen Bewerbern gegenüber …“ Sinnvoll sind solche Zusätze nur dann, wenn ein geschlechtsneutrales Wort folgt. Beispiele: „weiblicher Fan“, „männliche Jugendliche“, „weibliche Person“, „männlicher Stargast“, „weibliche Teenager“.

Aktuelle Empfehlung des Gremiums „Arbeitskreis Umgangsformen International“ (AUI), März 2018

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